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"Mijn Utopie" by http://www.heis.nl/
"Mijn Utopie" by http://www.heis.nl/

Les utopies apparaissent comme bien plus réalisables qu'on ne le croyait autrefois. Et nous nous trouvons actuallement devant une questions bien autrement angoissante: Comment éviter leur réalisation définitive? ... Les utopies sont réalisables. La vie marche vers les utopies. Et peut-être un siècle nouveau commence-t-il, un siècle où les intellectuels et la classe cultivée rêveront aux moyens d'éviter les utopies et de retourner à une société non utopique, moins 'pafaite' et plus libre.

 

Utopien scheinen heute weitaus realisierbarer zu sein als man das früher für möglich hielt. Im Grunde genommen sehen wir uns mit einem quälenden Problem konfrontiert: Wie kann man das endgültige  Erreichen von utopischen Zuständen verhindern? ... Utopien sind möglich. Die Welt bewegt sich auf Utopien zu. Und vielleicht beginnt eines Tages eine neue Zeit, eine Zeit, in der die Intellektuellen und die gebildete Schicht unserer Gesellschaft wenigstens davon träumen, Utopien zu verhindern und in eine Gemeinschaft zurück zu kehren, die nicht übernatürlich, weniger 'perfekt' und liberalistischer ist.

 

(Nicolas Berdiaeff, Epigraph des Romans "Schöne Neue Welt" von Aldous Huxley)

 

Ein französischer Epigraph in einem englischsprachigen Buch. Hat Huxley etwa gedacht wer sich an seine Schöne Neue Welt wagen würde, sei sicherlich belesen genug um sich einen Reim auf Berdiaeffs Worte zu machen? Vielleicht hat Huxley aber auch ganz gezielt ein Gefühl von Ausgrenzung und Unverständnis im Leser provozieren wollen. Berdiaeff selbst war als kritischer und individualistischer Denker aus dem bolschevistischen Russland verbannt worden. Sowohl Huxleys Wahl des Autors seines Epigraphen als auch dessen eigene Biographie verkörpern demnach prominente Themen seines weltberühmten Romans "Schöne Neue Welt". Ich bin erst gestern, als ich im Rahmen meiner Prüfungsvorbereitungen das Buch noch einmal öffnete um mir was verschüttet gegangen war wieder ins Gedächtnis zu rufen, über die oben zitierten Zeilen gestolpert. Dankenswerterweise reichte mein Französisch aus, und ich musste nicht aus Mangel eines Wörterbuches dubiose Systeme wie Google Translate zu Rate ziehen. Die noch ungesehenen Feinheiten, die ungedachten Gedanken sind es, die Literatur meiner Meinung nach zu mehr als Unterhaltung machen. Sicherlich spricht auch viel für Geschichten, die fesseln - und mit dem Zuklappen des Buches wieder loslassen. Oder solche, die die Seele zum Baumeln bringen ;-)

 

Aber wirklich entwickeln tut man sich an ihnen nicht. Alle wollen wir doch irgendwo mehr, als wir schon haben. Mehr sein, als wir es heute sind. Der Drang nach Fortschritt ist so eng mit dem unstillbaren und vertrauten  Hunger nach Mehr verbunden, dass ich ihn als ureigenen Antrieb des Menschen bezeichnen möchte. Paradoxerweise streben die Figuren in "Schöne Neue Welt" nach technischem Fortschritt und permanenter  Entwicklung und scheinen doch alles andere als menschlich zu sein. Sie werden zu "pneumatischen" Wesen und sind so mit Luft gefüllt wie pneumatische Schuhe oder Sessel. Sie sind nicht mehr als Zellen im Körper eines Staates. Der Entwicklungsdrang, der ihnen noch im Reagenzglas eingetrichtert wird, ist ganz im Sinne des "Weltstaates". Das unterscheidet jenen Antrieb von dem unseren, so individualistischen Hunger nach Fortschritt.

 

Berdiaeff spricht an, was Huxley in seinem Roman so fabelhaft darstellt: eine perfekte Welt, stabil und gerecht wird statisch. Alles was in ihr nicht ins Bild der Perfektion passt ist falsch. Jeder Aussenseiter ist unerwünscht, weil seine Gedanken und Gefühle, seine Werte und Wünsche die Stabilität und das Glück der Einheit "Volk" gefährden. So verlockend eine utopische Welt also auch scheinen mag: Sie wird zu leicht zur Distopie, es sei denn der Menschheit wird der Hang zum Individualismus ausgetrieben (wie es in der Schönen Neuen Welt ja bekanntlich geschehen ist).

 

In den vergangenen Tagen habe ich mich immer wieder mit Fragen zur Entwicklung beschäftigt. Endija (Lettland) überleg Entwicklungslehre in Deutschland zu studieren, der Entwicklungslehre-Lehrer am College, Daniel aus Ghana, schwärmt von der IG-Metall und sagt, sie sei der Grund für Deutschlands relativ stabile Wirtschaft (er fing mich draussen vor der Kantine ab und ich musste meinen knurrenden Magen ganze 15 Minuten unter Kontrolle halten, denn er hatte offenbar eine Menge Gedanken, die zu lange ungeteilt geblieben waren), ja, und meine Oma schickte mir eine Karte mit folgendem Zitat:

 

(...) Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe

Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,

Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern

In andre, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,

Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,

An keinem wie an einer Heimat hängen,

Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,

Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise

Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,

Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,

Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. (...)

 

Es handelt sich hierbei um einen Ausschnitt aus Hermann Hesses Gedicht "Stufen" und sie hätte keine passenderen Worte für mich finden können. Man könnte fast schon sagen sie seien zu so etwas wie einem Lebensmotto geworden, jetzt, da es gilt sich wieder auf den Weg zu machen. Ich schaue den Prüfungen (sie beginnen in zwei Wochen) zunehmend "heiter" entgegen. Sie sind nicht mehr und nicht weniger als ein Sprungbrett ins nächste Lebenskapitel. Die richtige Mischung Mut und Können werden mich schon weit genug in ein neues Level, auf eine neue Stufe katapultieren. Manche dieser Stufen sind offenbar höher als andere. Trozt aller Vorfreude auf die Aussicht dort oben versuche ich etwas angestrengt den Blick für all die Wunder hier im norwegischen Frühling nicht zu verlieren.

 

Besonders heute habe ich ganz ganz viel Gelegenheit zum Schauen und Hören, denn gemeinsam mit gut 30 anderen Mitschülern rede ich heute den ganzen Tag über nicht. Diese Aktion wurde von der Gender and Sexuality Gruppe der Schule angeregt und geschieht im Andenken an all die homosexuellen Schüler weltweit, die ihre Gedanken und Gefühle nicht frei äussern dürfen. Ich habe mir vorgenommen, 10 Stunden kein Wort über die Lippen zu bringen. Andere schweigen ganze 24 Stunden. Es ist eine interessante Erfahrung, sich ständig auf die Zunge beissen zu müssen und nach alternativen Ausdrucksmöglichkeiten zu suchen. Im Hinterkopf habe ich dabei auch die Biographie der taub-blinden Helen Keller, die ich neulich gelesen habe.

 

Es ist fantastisch, in einem Umfeld zu leben, in dem solche leicht seltsamen Ideen auf fruchtbaren Boden fallen. Ich sauge all die Erfahrungen in mich auf und die letzten Wochen haben in der Tat viel Gedankenfutter gegeben: Workshop zur Arbeit in einem UWC Nationalkomitee, schriftliche Auswertung der ausserschulischen Aktivitäten, an denen ich in den letzten zwei Jahren teilgenommen habe, ein World Today zum Konflikt in Lybien, ein weiterer World Today zu politischem Journalismus, gehalten von einer Journalistin im Kosovo etc.........

 

Abschliessend noch die Wise Guys:

"Man hält das Glück viel zu oft für unvergänglich,
und der Verstand ist für die Wahrheit nicht empfänglich:
Das Glück ist keineswegs normal, und selbstverständlich
ist alles Irdische letztendlich ziemlich endlich.
Doch wird mir erst später klar,
wie schön es vorher war,
dann kann ich mir doch nix mehr dafür kaufen!
Man muß sein Glück sofort erkennen
und es auch beim Namen nennen:
Bis jetzt ist alles tierisch gut gelaufen!"

 

Angelika

 

P.S Gedanken und Kommentare sind immer willkommen!


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Kommentare: 1
  • #1

    Juicer Reviews (Montag, 15 April 2013 07:44)

    This post was just what I was looking for!