Peacetime Resistance

Mein gemütliches Glücklichsein-Bett
Mein gemütliches Glücklichsein-Bett

Buh!

Amanda veröffentlicht im Sommer ihr Buch. Wir haben uns darüber gestern auf dem Flur, Icelandhouse, zweiter Stock zwischen Raum 204 und 203, Treppenabsatz, unterhalten.

Josie: "It's quite nice to talk here. It is so unconventional.

Ich: "True, nobody does it. Is that why we are doing it? Propably."

Amanda: "It's because nobody cares when we are talking here. They just don't suspect it might be something important we are discussing."

 

Ich war eigentlich mehr spontan in das Gespräch der beiden  getaucht. Mit meinem prall gefüllten Vokablkasten voller spannender norwegischer Wörter in der Hand kam ich aus Raum 204, wo ich Denniss besucht hatte. Er kommt aus Lettland und hatte einige Monate Deutschunterricht. Gestern haben wir mit etwas begonnen, was hoffentlich eine Fortsetzung findet: Deutschunterricht und seinerseits eine Auffrischung meiner doch sehr eingerosteten Russischkenntnisse. Weil ich mich an diesem Wochenende recht ehrgeizig schulischen Angelegenheiten widmen wollte, war ich also gleich nach der Deutschstunde auf dem Weg zu Bjornar. Der hat dann auch tatsächlich in Multitaskingmanier gleichzeitig "Zopf - flette" und "Sehenswürdigkeit - severdighet" in mein Gedächtnis gerufen, mit Diego und Jesper die Gründung eines "Gentlemanclubs" besprochen und sich anschließend in der Universität Bergen eingeschrieben. Wir beide hatten eine Menge Spaß daran, darüber zu rätseln, ob er lieber Middleeast-studies oder Psychologie oder Religionswissenschaften wählen sollte. Ich finde, er macht es genau richtig: Nach dem IB im Mai wird er mit seinem besten Freund Marius Länder bereisen, in die er nie wieder kommt, wenn er nicht jetzt die Initiative ergreift (Kasastan, Tadschikistan, Russland usw.). Dann hat er ein halbes Jahr zuhause in Bergen, bevor es dann nach West-Sahara geht. Dort steht ein halbes Jahr Freiwilligendienst an, der von der Schule aus organisiert wird. "Was", hat er sich gefragt, "mache ich während des halben Jahres in Bergen?". Die Antwort ist ebenso simpel wie intelligent: "etwas studieren, das mich interessiert, ich aber langfristig nicht als einen ernsthaften Studiengang in Erwägung ziehe." Und weil er weiß, dass er Architektur studieren will, wahrscheinlich im Ausland, hat er sich jetzt für die drei oben genannten Fächer beworben und wird hoffentlich seine Erstwahl machen können.

 

Mir tun diese Unterhaltungen sehr gut. Es gibt so viele Wege in die Zukunft. Oft erlauben Universitäten an denen man angenommen wurde, vor dem Beginn des Studiums ein Jahr Auszeit zu nehmen. Ich könnte in dem Jahr zum Beispiel in einer norwegischen Universität etwas Abstruses studieren, was mich interessiert. Rhetorik beispielsweise. Mein Norwegisch würde sehr gut werden und eine Menge Lebenserfahrung sammelt man bestimmt auch. Träume. Einige mögen sich fragen, was sie schon sind, abgesehen von rosarotem Schaum. Ich finde, dass dieser Schaum auf der Realität ebenso unverzichtbar ist, wie der gut duftende Badeschaum in der Badewanne.

 

Wo war ich? Amandas Buch, richtig! Amanda ist hier eine meiner besten Freundinnen. Eine seltsame Frau oder ein seltsames Mädchen. So genau weiß ich das nicht mehr. Genau kann und will ich auf ihre Seltsamkeit nicht eingehen. Das wäre zu persönlich. Jedenfalls hat sie gerade ihr Buch fertig geschrieben. Ein Buch über die Menschen, die sie erlebt. Ihre Welt aus Perfektion und Stress. Sie ist in mancher Hinsicht wie ich. Aber vielleicht krasser. Im Sommer fahren wir zusammen nach Kroatien. Heute noch werden die Tickets gebucht. Eine achtzehnjährige, die Richtung Psychologie und Journalismus strebt. Erkennt hier jemand Parallelen?! Und nun ist ihr Buch fertig. Naja, sie zweifelt daran. Aber wann ist ein Werk über das eigene Leben schon fertig?! Ich sehe dieses Geschreibe ja recht kritisch und bin gespannt, ob es wirklich zur Fertigstellung kommt. Es wäre toll! Schade, dass ich kein Dänisch kann. Vielleicht sollte ich es mal versuchen.

Die Menschen hier sind fantastisch. Nicht fantastischer als sonst wo auf der Welt. Ich bin mir bloß mehr als sonst über das im Klaren, was ich erlebe.

 

Ein besonderes Erlebnis war die Skiweek vom 21.2. bis zum 26.2. 2010. Ich hatte schon lange nicht mehr so viel frische Luft. Die zwei Tage Langlauf waren ehrlich gesagt ein ziemliches Desaster, weil ich mich andauernd auf die Nase gelegt habe, aber Abfahrt kannte ich ja schon und dementsprechend konnte ich die Tage auf der Piste genießen. Mit meiner besten UWC-Freundin Tea steckte ich 10 Minuten lang im Lift fest. Es war einer dieser Lifte, der einem im Stehen den Berg hochzieht und wir stoppten ausgerechnet an der steilsten Stelle, den Abhang im Nacken sitzend. Die zahlreichen zehnminütigen Liftfahrten, die Tea und ich an dem Tag unternommen haben, haben uns noch mehr zusammengeschweißt. Es tut gut, eine Freundin zu haben mit der man Geheimnisse teilen kann und die sich einem ebenfalls anvertraut. Trotz der Intensität, mit der man seine Mitmenschen hier erlebt, fehlt es manchmal an Tiefgang.

Gezeigt zu bekommen, dass man jemandem etwas bedeutet, ist Balsam für die Seele. Mein Geburtstag wurde so zu einer Balsamorgie. Ich habe so viel Post aus Deutschland bekommen! Euch allen tausend Dank dafür. Meine Roomies hatten sich um Mitternacht, irgendwo zwischen dem 18. und 19. Februar auch etwas Tolles ausgedacht und mich im Tagesraum mit Kuchen, Geschenken und vielen Freunden überrascht. Ich saß noch bis zwei Uhr nachts wach und habe Briefe gelesen, ausgepackt, dem Obstteller, den sie vorbereitet hatten den Garaus gemacht und mich pudelwohl gefühlt. Am nächsten Morgen stand dann auch gleich der Geschichtstest an, auf den ich mich glücklicherweise gut vorbereitet hatte und der dementsprechend glatt lief. In der Kantine wurde aus Versehen zwei Mal für mich gesungen und ansonsten war der Tag ganz normal. Ich habe mir Zeit für mich genommen, gelesen, geschlafen, geträumt. Beim Abendessen überraschte mich dann noch sehr liebe Post aus Hong Kong von einem Coyear, der mir original Essstäbchen schickte und ein Päckchen von meiner besten Freundin Wiebke, die mir durch ihre Teebotschaft einige Abende versüßt. Siebzehn Jahre alt zu sein fühlt sich gut an. Es ist ein Alter, in dem man irgendwie schwebt. Nicht erwachsen, nicht Kind ist. Ich mag das.

 

Heute war es besonders das Gespräch mit Wiebke, das mich glücklich gemacht hat. Im K-Building saß ich lange am Panoramafenster und habe die frühlingswarme Sonne in meinem Gesicht genossen, die Logarithmen irgendwie glamouröser scheinen ließ. Jetzt höre ich Johanns Abschieds CD und werde gleich meine Eltern anrufen. In der kommenden Woche schreiben die Secondyears ihre Probeexamen und die ganzen lernenden Gestalten wecken erneut meinen akademischen Ehrgeiz, der sich in der kalten Winterluft Norwegens manchmal ein bisschen verflüchtigt.  Der Brief an meinen Bruder muss unbedingt abgeschickt werden und ich sollte meinen Englischlehrer mal um die Rückgabe meines Englischaufsatzes bitten.

Alles eine Frage der Eigeninitiative?! Es kann ganz schön anstrengend sein, selbstständig zu sein.  :)

 

Angelika

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